Samstag, 25. September 2010
Konfuzianismus-Taoismus, Kalligraphie, Verkehrssichherheit, Riesenbuddha, Weiterreise
Da gestern nicht genuegend Leute gefunden wurden fuer die Tour, welche ich machen wollte, habe ich einen halbwegs faulen Tag in Chengdu verbracht.
Beim gemeinsamen Fruehstueck haben Salome und ich das Gespraech vom vorigen Abend fortgesetzt.
Diesmal habe ich etwas ueber die beiden anderen grossen Religionen bzw. Philosophien, welche in China verbreitet sind, erfahren, naemlich den Konfuzianismus und den Taoismus.
Vom Konfuzianismus ist Salome nicht so begeistert, da er ihrer Meinung nach Gehirnwaesche ist, welche dazu diente, die Leute unterwuerfig zu halten. In ihm spielt der Kaiser eine wichtige Rolle, in etwa so wie z.B. im Absolutismus oder im Feudalismus, wo er die von Gott gegebene Macht innehatte.
Beim Taoismus handelt es sich eher um eine Philosophie, als eine Religion, welche sich nur auf eine, zudem ziemlich duenne Schrift beruft, da ihr Begruender, Lao-tse, eigentlich gar keine Schrift verfassen wollte, dann aber von einem Freund dazu gedraengt wurde.
Beim Taoismus dreht sich alles um Yin und Yang, den freien Fluss von Energie zwischen allem. Das kommt auch beim Tai Chi, der taoistischen Praxis, zum Vorschein, wo man eins ist mit seiner Bewegung und seiner Umwelt.
Als Salome und ich es gerade von Lao-tses sowie Buddhas Lehre der kleinsten Teilchen hatten, haben bei jemandem am Nachbartisch die Glocken geklingelt, weil er Physik studiert hatte.
Bei diesem Jemand handelte es sich um Eduard, welcher ebenfalls aus Deutschland kommt und sich gerade auf einer achtmonatigen Reise durch Russland, China, Suedostasien und Australien befindet.
Daraufhin hat er uns beim Fruehstuecken Gesellschaft geleistet.
Hierbei hat er mir eine Menge erzaehlt ueber die chinesische Kalligraphie, welche in der chinesischen Kultur eine sehr wichtige Rolle spielt.
Kalligraphie ist wirklich eine Kunst fuer sich. Gute Kalligraphien zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass sie ausbalanciert sind, sprich, dass sie, falls sie stehen muessten, nicht umfallen wuerden.
Ausserdem habe ich etwas ueber die Schriftzeichen an sich mitbekommen. Man kann an der Art der Zeichen auf deren Alter schliessen. Bevor z.B. ein grosser Kaiser - derjenige, der auch die Terrakottaarmee bauen liess - die verschiedenen Gebiete im heutigen China vereinte, waren die meisten Zeichen runder, als sie es seitdem sind.
Die Zeichen sind aus 30 verschiedenen Strichartenzusammengesetzt, wobei es 900 verschiedene "Stammzeichen" gibt, aus welchen die ueber 9000 Zeichen umfassende chinesische Schrift zusammengesetzt ist.
Nach dem Fruehstueck haben Salome, Eduard und ich einen entspannten Tag in Chengdu verbracht. Wir haben ein taoistisches Kloster besucht, sowie einen Park und das war es auch schon. Die meiste Zeit waren wir eigentlich damit beschaeftigt, uns ueber irgendetwas zu unterhalten, was eine nette Abwechslung war zu dem andauernden Umherrennen von Ort zu Ort.
Auf einem kleinen Markt auf unserem Weg sind wir in den Genuss der Kunstwerke eines Meisterkalligraphen, welcher seit 30 Jahren Kalligraphie betreibt, gekommen.
Sogar mir, welcher nur einen kleinen Hauch einer Ahnung hatte seit der Einfuehrung durch Eduard, ist die Schoenheit der Zeichen aufgefallen.
Wovon ich leider auch Zeuge geworden bin an diesem Abend, war ein uebler Verkehrsunfall direkt vor unserem Hostel. Dabei wurde ein Mopedfahrer, welcher auf der 6 Fahrstreifen fassenden Strasse wenden wollte von einem Auto angefahren. Die ersten 5 Minuten hat er sich nicht bewegt, dann hat er sich aber mit Hilfe von Passanten aufrichten koennen. Bis auf ein gebrochenes Bein hat er aber gluecklicherweise anscheinend keine schweren Verletzungen davongetragen.
Es war aber auch nur eine Frage der Zeit, bis ich Zeuge eines solchen Unfalls werden wuerde, da die Leute hier so ruecksichtslos und chaotisch fahren, dass man sich kaum ueber die Strasse traut.

Heute hatte ich eine Tour zu einem Park, in welchem, neben einigen Tempeln, ein 71 m grosser, in den Felsen gehauener Buddha beherbergt ist.
Dazu habe ich aber eigentlich nichts weiter zu erzaehlen, ausser dass dieser beeindruckend war.

Meine Plaene fuer die Weiterreise haben heute endlich konkrete Formen angenommen.
Morgen mache ich mich auf eine viertaegige Kreuzfahrt auf dem Yangtze-Fluss, wobei ich aber wohl ein wenig zu viel erwarte von dem Schiff, da die Tour nur 80 Euro kostet.
Danach muss ich mich ersteinmal wieder auf die Rueckreise nach Chengdu machen, da es sich nicht um einen Rundtrip handelt.
Von dort aus geht es dann am 2.10. im Zug nach Tibet fuer eine einwoechige Tour zu den groessten Sehenswuerdigkeiten dort.
Die Tour wird an der nepalesischen Grenze enden, von wo aus ich vermutlich direkt nach Kathmandu weiterreisen werde.
Mal schauen, wie regelmaessig ich die naechste Woche schreiben kann, waehrend ich unterwegs bin.

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Freitag, 24. September 2010
Pandaaufzuchtstation, Sichuan Oper, kritische Chinesen
Gestern ging es auf zur Pandaaufzuchtstation in Chengdu, die groesste weltweit. Hier sind mehrere dutzend Grosse Pandas (das was man sich unter einem Pandabaeren vorstellt) sowie einige Rote Pandas, welche ein wenig wie Waschbaeren mit rotbraunem statt grauen Fell aussehen, untergebracht.
Ich muss schon sagen, dass Pandas wahrscheinlich die knuffigsten Tiere der Welt sind.
Von der Statue her waren sie gar nicht so gebaut, wie ich es erwartet haette. Sie waren nicht so dick und bei Weitem nicht so gross, wie ich erwartet haette.
Waehrend ich weissschwarze Grizzlys erwartet, die uns ueberragen, sind sie in Wirklichkeit nicht groesser als Kinder mit etwa 10 Jahren, vielleicht in etwa 120 cm gross.
Zumindest in der Aufzuchstation haben sie ein sehr faules Leben. Sie sind den ganzen Tag nur damit beschaeftigt, ihren Bambus zu fressen, meistens im Liegen.
Sie packen sich meist ein paar Bambusrutenl, um sich, an den Bambus gehaftet, zu Boden fallen zu lassen und sich dann, auf dem Ruecken liegend, genuesslich die Blaetter mit den Pfoten, welche der menschlichen Hand aehneln insofern, dass sie auch richtig greifen koennen, ins Maul zu stopfen.
Ab und zu sind sie damit beschaeftigt, ihren Spieltrieb auszuleben. Dann rennen sie umher, was ziemlich plump und unbeholfen aussieht, obwohl sie eine ahnsehnliche Geschwindigkeit erreichen koenen, schlagen Purzelbaeume (die schlechten ueber die Seite, fuer welche man im Sportunterricht bestenfalls eine 4 erhaelt) oder turnen auf den Baeumen herum.
Man sieht diesen Tieren, welche sich heute ausschliesslich von Bambus, gelegentlich aber auch von Aas ernaehren, foermlich ihre friedfertige Art an.
Und sie haben mit ihrer vegetarischen Lebensweise sage und schreibe 8 Millionen Jahre ueberlebt, obwohl ihre direkten Vorfahren Fleischfresser waren und ihre Maegen auf die Verdauung von Fleisch angelegt sind.
- Die Argumente der Carnivoren unter uns, dass einem ohne Fleisch Naehrstoffe fehlen und dass unsere Vorfahren bereits Fleisch assen, greifen also nicht...
Weil sie den Bambus aber nur zu einem kleinen Teil verarbeiten koennen, brauchen sie Unmengen, in etwa 25 Kg taeglich, und deswegen muten sie auch so faul und traege an.
Die roten Pandas waren auch sehr suess, auch wenn nicht ganz so originell wie die grossen Pandas.
Wie waren von der Flinkheit und Kletterfaehigkeit her etwas zwischen Eichhoernchen und Katze, haben sich aber, wie die Pandas, Bambusstaebe gegriffen und zum Essen auf den Hintern gesetzt.

Fuer den Abend habe ich mir einen Platz im lokalen Theater fuer die allabendliche Sichuan (das ist der Name der Provinz hier) Oper gesichert.
Diese ist anscheinend beruehmt fuer das sogenannte facechanging, worunter ich mir aber nichts vorstellen konnte, bevor ich es gesehen habe.
Zuerst aber kamen verschiedene andere Einlagen, von flickflackschlagenden Turnern, majaestaetisch kostuemierten Saengern (sie stellten 3 Helden aus dem Alten China dar, sowie den Kaiser, welcher von ihnen gestuerzt wurde), gefolgt von einer komoediantischen Einlage, in welcher eine dominante Ehefrau von ihrem albernen aber geschickten Ehemann verschiedene Geschicklichkeitseinlagen, welche er mit einer Oellampe auf seinem Kopf erledigen musste, forderte, sowie einem Solo eines Berhu (Saiteninstrument, welches wie ein Cello mit einem winzigen Korpus aussieht und wie eine Geige klingt).
Das facechanging kam dann als Highlight am Schluss. Die facechanger hatten wie die 3 Helden zuvor praechtige Kostueme an und aehnelten mit ihren Masken und der Kleidung den Waechtern, welchen man in tibetischen Tempeln begegnet.
Wahrend sie mit ihren Armen durch die Luft fuhren, aenderte sich ihre Maske schlagartig, sodass niemand den Wechsel an sich mitbekam. Umrandet wurde die Buehne dabei von Feuerspuckern.
Ich fand diese Oper nicht ganz so kitschig, wie die Kungfushow, welche wir in Peking besucht haben (ich bin nicht dazugekommen, diese zu beschreiben, obwohl der Titel des vorletzten Eintrags bereits darauf hinweist). Waehrend bis auf ihre Herzschmerzeinlagen, auf welche die zumeist kitschversessenen Chinesen abfahren, zweitere nicht allzuviel mit der heimischen Kultur zu tun hat, findet die chinesische Oper schon seit Jahrhunderten in dieser Form ihren Platz in der Gesellschaft.

In der Oper habe ich Salome, eine Chinesin, welche im gleichen Hostel wie ich untergebracht ist, kennengelernt.
Nach der Oper haben wir uns in der Hostelbar noch eine Zeit lang ueber China unterhalten, vor allem ueber die chinesische Politik.
Sie betrachtet diese sehr kritisch. Von ihr habe noch einige Dinge ueber die chinesische Geschichte in Erfahrung gebracht.
Ihrer Meinung nach ist z.B. Taiwan chinesischer als China, da Taiwan zur Zeiten der Kulturrevolution vom Rest Chinas abgegrenzt war und von ihr unangetastet blieb. Waehrend die fanatischen Horden der Maoisten, welche in China wueteten, dort viele kulturell wertvolle Gebaeude und Schriften vernichteten, blieb die taiwanesische Kultur von Maos Politik unberuehrt.
Sie war bereits in Tibet und hat gemeint, dass die Tibeter, welche sich kulturell und ethnisch stark von den anderen Voelkern in China unterscheiden, immermehr assimiliert werden und die urspruengliche tibetische Kultur verloren geht, weil China Tibet invadiert, respektlos und ohne Ruecksicht gegenueber der dortigen Religion, weil die Chinesen selbst zumeist areligioes sind.
Das aehnliche geschieht mit den Uiguren, einer anderen Minderheit im Westen Chinas.
Von der chinesischen Sicherheitspolitik, vor allem das Internet betreffend, war sie ebenso wenig begeistert, wie von der Tibetpolitik.
Auf meine Frage, ob es nicht gefaehrlich sei, sich so zu aeussern, meinte sie, dass es heutzutage nichtmehr so schlimm sei wie 1989, wo den Leuten nach dem Tiananmenmassaker von der Regierung das Sprechen ueber dieses streng verboten wurde.
In studentischen Kreisen wissen ihr zufolge viele, wie man sich objektive Nachrichten beschafft und sprechen auch offen darueber.

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Neue Lebenszeichen
Mittlerweile ist wieder viel Zeit ins Land gezogen seit meinem letzten Blogeintrag, obwohl ich immernoch lebe.
Ich habe mich nun dazu entschieden, die Blogeintraege nicht mehr strikt chronologisch vorzunehmen, da ich lieber halbwegs aktuell schreiben moechte. An kuerzlich Erlebtes kann ich mich besser erinnern und esmacht auch mehr Spass, darueber zu schreiben. So kann ich mich wahrscheinlich auch regelmaessiger zum Schreiben aufraffen.
Dabei versuche ich aber auch, den frueheren Ereignissen Abschnitte zu widmen.

Gerade (??. Tag) befinde ich mich in Chengdu. Das liegt ungefaehr in der Mitte der Strecke von Hong Kong nach Tibet.
Genau das ist auch meine Reiseroute. Vorgestern bin ich von Hong Kong aus aufgebrochen, um von Guangzhou aus einen Flug nach Chengdu zu nehmen.
Von den chinesischen Zuegen werde ich noch genuegend mitnehmen, wenn ich mich wahrscheinlich am 2. Oktober auf nach Tibet mache.
Obwohl ich kein Liebhaber der Zuege hier bin, soll es sich wohl wirklich lohnen einen Zug zu nehmen anstatt des Fliegers, da man schon auf der Zugfahrt nach Tibet spektakulaere Landschaften zu Gesicht bekommt. Da waere aber ein Liegeplatz ganz nett, weil diese Fahrt in etwa 44 Stunden dauert.

Um wieder zu Chengdu zurueckzukommen. Vorgestern Abend, in Chengdu angekommen, habe ich Jose und Anne, ein Paar aus Guangzhou kennengelernt, welche mit mir zusammen auf ein Taxi gewartet haben.
Die Wartezeit war recht lange, da an diesem Tag ein chinesischer Feiertag war und viele Chinesen umhergefahren sind in den Taxis.
Waehrend wir also da standen, haben wir uns miteinander bekannt gemacht.
Jose hat eine etwas kompliziertere Familiengeschichte. Er ist ein in Paraguay aufgewachsener, halbdeutscher italienischer Staatsbuerger.
Bei Anne ist es unkomplizierter, sie kommt aus Guangzhou.
Die beiden haben sich kennengelernt, als er von seiner Firma zum Qualitaetsmanagement nach China geschickt wurde und sie seine Dolmetscherin wurde.
Am Abend haben wir uns nochmal getroffen und ueber Gott und die Welt und natuerlich auch China und seine Einwohner geredet.
Es gibt entgegen dem, was ich zuvor gehoert habe, eine gemeinsame Sprache, die alle Chinesen beherrschen, auch wenn z.B. die Shanghainesen einen Dialekt beherrschen, welchen die Chinesen aus anderen Gebieten nicht verstehen.
Das was ich ueber die English learner gehoert habe, konnten haben sie teilweise auch entkraeftet. Jose hat gemeint, er waere schon von vielen Chinesen angesprochen worden, die sich tatsaechlich nur mit ihm auf Englisch unterhalten wollten und nicht irgendwo hinentfuehren.
Trotzdem gibt es sehr viele Trickbetrueger, gegen welche auch die Einheimischen nicht gefeilt sind. So haben Jose und Anne einmal in einem Elektroladen eine Speicherkarte kaufen wollen und dabei die falsche Person bezahlt, welche sich einfach als Verkaeufer ausgegeben hat. Dann mussten sie noch einmal den wirklichen Verkaeufer bezahlen...
Ich bin an diesem Tag selbst knapp einem Touristennepp entgangen.
Am Bahnhof von Guangzhou angekommen, habe ich mich bei den Damen der Touristeninformation nach dem Weg zum Flughafen erkundigt. Dieses Touristeninformationsbuero hat gleichzeitig auch Tickets fuer Touren - und Shuttlebusse zum Flughafen - verkauft.
Man hat mit dort dann erzaehlt, dass ein Shuttlebusticket zum Flughafen fast 30 Euro koste und die beste Alternative waere, weil ich sonst sehr lange brauchen wuerde, um zum Flughafen zu kommen.
Da ich aber viel Zeit hatte, habe ich mich doch fuer die lange Route entschieden und bin zu dem Gebaeude gegangen, von welchem aus die Alternativroute, welche sie mir freundlicherweise genannt haben, gestartet hat.
Nach einem Fussweg von 10 Minuten bin ich an dem Gebaeude angekommen, von welchem aus man fuer nicht einmal 3 Euro einen Bus zum Flughafen kriegt...
Laut Anne und Jose haben sich die Leute auf solche Tricksereien spezialisiert, weil schon alleine der Waffenbesitz strafbar ist, waehrend Raub aeusserst hart bestraft wird.
Leider sind die beiden gleich am naechsten Morgen weitergereist zu einem Naturreservat hier in der Naehe. Die beiden haben mir angeboten an der Tour teilzunehmen, da noch Plaetze frei waren, aber das war mir doch zu spontan, zumal die Sache mit meiner Tibetreise hier noch nicht geklaert war.

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Mittwoch, 15. September 2010
Teil 4 - Tiananmenplatz, Hygiene, Lamatempel, Religion, Kung Fu-Kitsch
5. Tag
Heute war dr Platz des Himmlischen Friedens, auf Chinesisch Tiananmen, an der Reihe.
Der Name ist ein wenig beschoenigend, wie manche wissen, da hier 1989 die Demokratiebewegung gewaltsam niedergeschlagen wurde, indem 1000 friedliche Demonstranten von der Armee abgeschlachtet wurden.
Dabei zugesehen hat wahrscheinlich damals schon ein grosses Abbild von Mao, welches, dem Tiananmenplatz zugewandt, an einer Mauer seines Mausoleums (zwischen der Verbotenen Stadt und dem Tiananmenplatz gelegen) haengt.
Viel mehr als die Aussenfassade des Mausoleums und den noerdlichen Rand des Tiananmenplatzes, haben wir aber nicht zu Gesicht bekommen, weil mich an diesem Tag boese Magenbeschwerden ereilt haben.

6. Tag
Diese hielten noch eine Zeit lang an. So auch am 6. Tag. Da an diesem aber zumindest die Schwindelgefuehle aufgehoert haben, konnten wir uns an die Besichtigung des Lamatempels machen.
Aus der gleichnamigen Metrostation in dessen direkter Naehe ausgestiegen, hatten wir aber einige Probleme, diesen zu finden. Nachdem wir einige Minuten mit dem Versuch verbracht hatten, uns Orientierung zu verschaffen, sprach uns ein Chinese auf Englisch an.
Mir sprang voellig reflexiv das Wort English learner in den Kopf, als er uns fragte, wo wir hinwollten.
So war ich, genau wie Leni, erst einmal voreingenommen, als dieser uns erklaert hat, dass er auch auf dem Weg zum Lamatempel sei und wir mit ihm kommen koennten.
Relativ bald haben wir aber Vertrauen gefasst, nachdem er uns in nahezu perfektem Englisch erklaert hat, dass er dorthingehe, um zu beten.
Das gute Englisch kommt von seinem Studium, Linguistik, sowie einer Europareise, wo er auch einige Leute kennengelernt hatte, mit welchen er wohl mehr Englisch als Chinesisch gesprochen hatte. Kennys (sein englischer Name) Beruf ist Englischkoordinator an der Uni, sodass diese guten Englischkenntnisse auch nicht gerade verkehrt sind.
Gemeinsam im Tempel angekommen hat er sich dazu bereiterklaert, uns einiges ueber den Tempel selbst sowie ueber die Religion in China im Allgemeinen zu erzaehlen.
Die meisten Chinesen sind an sich nicht wirklich religioes. Eher aus Tradition gehen sie trotzdem einmal im Jahr zu einem Tempel, um dort mit Raeucherstaebchen in den Haenden die verschiedenen Gottheiten, wenn man sie so nennen kann, anzubeten. Tag sowie Tempel waehlen sie sich dabei willkuerlich selbst aus.
Beim Lamatempel handelt es sich um den groessten buddhistischen Tempel Pekings, welcher vieler lokaler Chinesen erste Wahl ist, sodass sich dort eine grosse Schar betender Chinesen unter die ueblichen Touristen mischt.
Die Betenden gehen im Verlaufe ihres Besuchs einmal den mehrere Gebaeude umfassenden Tempel durch und knien sich vor den Gottheiten ihrer Wahl nieder.
Bei den Gottheiten handelt es sich anscheinend um verschiedene Buddhas, welche fuer verschiedene Lebensbereiche zustaendig sind. So gibt es unter vielen anderen einen Buddha der Vergangenheit, welchen man anbetet, wenn man etwas bereut, einen Buddha des Jetzt fuer mehr momentane Freude und einen Buddha der Zukunft bspw. fuer die Familienplanung.
Diese ganzen Gottheiten werden durch riesige vergoldete Statuen verkoerpert, welche sich bis auf die Stellung der Haende stark aehneln und einfach wie der historische Buddha Gotama aussehen. Nur eine weibliche Gottheit weichte ein wenig staerker vom Rest ab.
Zu hoeren, dass Buddha wie Gott im Christentum angebetet wird, hat mich ein wenig irritiert, weil ich gegenteiliges gehoert habe.
Als ich Kenny dazu befragt habe, hat er mir geantwortet, dass nur die Laien beten, waehrend die Moenche selbst es beim Meditieren belassen.
Dass Buddha als eine Art Gottheit betrachtet wird, ist anscheinend im Tibetbuddhismus, wo neben den indischen Einfluessen auch die chinesische Tradition eine Rolle spielt, verbreitet.
Das ist auch einer der Gruende, warum die buddhistischen Tempel die Kulturrevolution ueberlebt haben. Diese Religion hatte damals schon und hat auch noch heute genuegend Rueckhalt in der Bevoelkerung, als dass die Regierung diese einfach ausloeschen koennte, sowie es in der Sowjetunion betrieben wurde.
Dann habe ich es doch gewagt, Kenny zur Tibetangelegenheit zu befragen. Seiner Meinung nach handelt es sich dabei weder um einen kulturellen noch um einen religioesen Konflikt, sondern um einen rein politischen zwischen dem Dalai Lama und seinen Anhaengern auf der einen und der chinesischen Regierung auf der anderen Seite, weil der Dalai Lama seinen Machtanspruch nicht aufgeben wolle. Daraufhin habe ich lieber nicht weiter herumgebohrt...
Nach einem langen Rundgang durch den Tempel, welchen wir ab und zu unterbrachen, damit Kenny, eigentlich nicht religioes veranlagt, beten konnte, luden wir ihn zum Dank noch auf einen Kaffee ein, welchen aber letztendlich er bezahlt hat. Er meinte, wenn er mal wieder nach Europa kommt, koennten wir uns revanchieren. Ich wuerde mich jedenfalls freuen, wenn wir die Gelegenheit haetten.

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