Mittwoch, 15. September 2010
Teil 4 - Tiananmenplatz, Hygiene, Lamatempel, Religion, Kung Fu-Kitsch
5. Tag
Heute war dr Platz des Himmlischen Friedens, auf Chinesisch Tiananmen, an der Reihe.
Der Name ist ein wenig beschoenigend, wie manche wissen, da hier 1989 die Demokratiebewegung gewaltsam niedergeschlagen wurde, indem 1000 friedliche Demonstranten von der Armee abgeschlachtet wurden.
Dabei zugesehen hat wahrscheinlich damals schon ein grosses Abbild von Mao, welches, dem Tiananmenplatz zugewandt, an einer Mauer seines Mausoleums (zwischen der Verbotenen Stadt und dem Tiananmenplatz gelegen) haengt.
Viel mehr als die Aussenfassade des Mausoleums und den noerdlichen Rand des Tiananmenplatzes, haben wir aber nicht zu Gesicht bekommen, weil mich an diesem Tag boese Magenbeschwerden ereilt haben.

6. Tag
Diese hielten noch eine Zeit lang an. So auch am 6. Tag. Da an diesem aber zumindest die Schwindelgefuehle aufgehoert haben, konnten wir uns an die Besichtigung des Lamatempels machen.
Aus der gleichnamigen Metrostation in dessen direkter Naehe ausgestiegen, hatten wir aber einige Probleme, diesen zu finden. Nachdem wir einige Minuten mit dem Versuch verbracht hatten, uns Orientierung zu verschaffen, sprach uns ein Chinese auf Englisch an.
Mir sprang voellig reflexiv das Wort English learner in den Kopf, als er uns fragte, wo wir hinwollten.
So war ich, genau wie Leni, erst einmal voreingenommen, als dieser uns erklaert hat, dass er auch auf dem Weg zum Lamatempel sei und wir mit ihm kommen koennten.
Relativ bald haben wir aber Vertrauen gefasst, nachdem er uns in nahezu perfektem Englisch erklaert hat, dass er dorthingehe, um zu beten.
Das gute Englisch kommt von seinem Studium, Linguistik, sowie einer Europareise, wo er auch einige Leute kennengelernt hatte, mit welchen er wohl mehr Englisch als Chinesisch gesprochen hatte. Kennys (sein englischer Name) Beruf ist Englischkoordinator an der Uni, sodass diese guten Englischkenntnisse auch nicht gerade verkehrt sind.
Gemeinsam im Tempel angekommen hat er sich dazu bereiterklaert, uns einiges ueber den Tempel selbst sowie ueber die Religion in China im Allgemeinen zu erzaehlen.
Die meisten Chinesen sind an sich nicht wirklich religioes. Eher aus Tradition gehen sie trotzdem einmal im Jahr zu einem Tempel, um dort mit Raeucherstaebchen in den Haenden die verschiedenen Gottheiten, wenn man sie so nennen kann, anzubeten. Tag sowie Tempel waehlen sie sich dabei willkuerlich selbst aus.
Beim Lamatempel handelt es sich um den groessten buddhistischen Tempel Pekings, welcher vieler lokaler Chinesen erste Wahl ist, sodass sich dort eine grosse Schar betender Chinesen unter die ueblichen Touristen mischt.
Die Betenden gehen im Verlaufe ihres Besuchs einmal den mehrere Gebaeude umfassenden Tempel durch und knien sich vor den Gottheiten ihrer Wahl nieder.
Bei den Gottheiten handelt es sich anscheinend um verschiedene Buddhas, welche fuer verschiedene Lebensbereiche zustaendig sind. So gibt es unter vielen anderen einen Buddha der Vergangenheit, welchen man anbetet, wenn man etwas bereut, einen Buddha des Jetzt fuer mehr momentane Freude und einen Buddha der Zukunft bspw. fuer die Familienplanung.
Diese ganzen Gottheiten werden durch riesige vergoldete Statuen verkoerpert, welche sich bis auf die Stellung der Haende stark aehneln und einfach wie der historische Buddha Gotama aussehen. Nur eine weibliche Gottheit weichte ein wenig staerker vom Rest ab.
Zu hoeren, dass Buddha wie Gott im Christentum angebetet wird, hat mich ein wenig irritiert, weil ich gegenteiliges gehoert habe.
Als ich Kenny dazu befragt habe, hat er mir geantwortet, dass nur die Laien beten, waehrend die Moenche selbst es beim Meditieren belassen.
Dass Buddha als eine Art Gottheit betrachtet wird, ist anscheinend im Tibetbuddhismus, wo neben den indischen Einfluessen auch die chinesische Tradition eine Rolle spielt, verbreitet.
Das ist auch einer der Gruende, warum die buddhistischen Tempel die Kulturrevolution ueberlebt haben. Diese Religion hatte damals schon und hat auch noch heute genuegend Rueckhalt in der Bevoelkerung, als dass die Regierung diese einfach ausloeschen koennte, sowie es in der Sowjetunion betrieben wurde.
Dann habe ich es doch gewagt, Kenny zur Tibetangelegenheit zu befragen. Seiner Meinung nach handelt es sich dabei weder um einen kulturellen noch um einen religioesen Konflikt, sondern um einen rein politischen zwischen dem Dalai Lama und seinen Anhaengern auf der einen und der chinesischen Regierung auf der anderen Seite, weil der Dalai Lama seinen Machtanspruch nicht aufgeben wolle. Daraufhin habe ich lieber nicht weiter herumgebohrt...
Nach einem langen Rundgang durch den Tempel, welchen wir ab und zu unterbrachen, damit Kenny, eigentlich nicht religioes veranlagt, beten konnte, luden wir ihn zum Dank noch auf einen Kaffee ein, welchen aber letztendlich er bezahlt hat. Er meinte, wenn er mal wieder nach Europa kommt, koennten wir uns revanchieren. Ich wuerde mich jedenfalls freuen, wenn wir die Gelegenheit haetten.

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